Im Andenstaat gehen viele Uhren anders
Auf der Walz in Peru

Drei Monate war er unterwegs, hat dabei über 9.000 km zurückgelegt - die meisten davon in mehr als 130 Stunden per Fern- und Nachtbus. Er hat sich mit der technischen Ausbildung in Peru beschäftigt und im Kontakt mit Land und Leuten neue Lebenserfahrung gesammelt: Patrick Rommel, ehemals dualer Student bei WITTENSTEN und jetzt in der Technischen Vertriebsunterstützung von WITTENSTEIN electronics tätig. Sein persönliches Fazit: „Die Walz hat mich zu einem weltoffeneren, selbstständigeren und gelasseneren Menschen gemacht".

Patrick Rommel ist einer von bislang 45 Auszubildenden und Studenten der Dualen Hochschule, die seit 2011 nach dem Ab-schluss von Ausbildung bzw. Studium bei WITTENSTEIN am Projekt „PIONIERE auf der Walz teilgenommen haben. In einem Land ihrer Wahl und betraut mit einer selbst initiierten Aufgabenstellung machen sich die jungen Leute ihr eigenes Bild von Land und Leuten, von politischen, kulturellen, gesellschaftlichen und geografischen Gegebenheiten.

Bisher sind alle von ihnen mit wertvollen Erfahrungen für das Leben und die eigene Persönlichkeitsentwicklung zurückgekommen - so auch Patrick Rommel: „Die Walz war ein einzigartiges Erlebnis und die Einsichten, die ich während dieser dreimonatigen Wanderschaft gewonnen habe, werden mich auf meinem persönlichen und beruflichen Weg begleiten und unterstützen." Dass dem tatsächlich so ist, bestätigt Peter Schuster, Vertriebsleiter der WITTENSTEIN electronics GmbH: „Ich denke, dass die Walz generell und auch bei ihm wichtige Impulse für die weitere Persönlichkeitsentwicklung setzt. Eigenverantwortung, Entscheidungsbereitschaft und das Verstehen menschlicher Motivationen und Einstellungen sind Dinge, die ihm persönlich wie auch in seinem Job hier im technischen Vertrieb wei-terhelfen werden."

Technische Ausbildung in Peru

Warum gerade Peru? „Das war zunächst eine eher privat motivierte Entscheidung", blickt Patrick Rommel zurück. „Ich habe mich dann näher mit dem Land beschäftigt, Infos gesammelt und Berichte gelesen, die mich in meiner Wahl bestätigt haben, weil mich hier - wie das bei Pionieren so ist - etwas völlig Neues erwarten würde." Das Projekt, das er vor Ort zu bearbeiten hatte, befasste sich mit der technischen Ausbildung in Peru. Ein spannendes Thema, wie sich in unzähligen Interviews, Gesprächen und Besuchen von Ausbil-dungseinrichtungen herausstellen sollte. Der Projektstart allerdings war sehr holprig: „Die Kontaktaufnahme und Terminvereinbarung per Telefon und Internet von Deutschland aus war ziemlich ergebnislos", erinnert sich Patrick Rommel an frustrierende Momente zu Beginn des Projektes. „Als ich dann in Peru war, hat mich bereits in der ersten Woche der Leiter des Berufsbildungszentrums der Mit dem Projekt „PIONIERE auf der Walz" nimmt WITTENSTEIN eine mittelalterliche Tradition wie-der auf. Historisch gesehen ist die Walz eine in vielen Zünften vorgeschriebene Wanderschaft von Gesellen nach dem Abschluss ihrer Lehrzeit. Seit dem Spätmittelalter bis zur beginnenden Industrialisierung war sie eine der Voraussetzungen für den Gesellen, die Prüfung zum Meister zu beginnen. Während ihrer Wanderjahre sollten die Gesellen vor allem neue Arbeitspraktiken, fremde Orte, Regionen und Länder kennenlernen und dabei Lebenserfahrung sammeln — genauso wie die jungen WITTENSTEIN-Pioniere von heute. Für rund drei Monate sind sie im Land ihrer Wahl unterwegs und recherchieren vor Ort zu einer selbst gestellten Aufgabe.

Humboldt-Schule in Lima, Alf Buddecke, zu einem Gespräch eingeladen." Ein Besuch, der für beide äußerst ergiebig war: Patrick Rommel erhielt wichtige Tipps und Kontakte, aus denen er sich in den nächsten Wochen sein Interview-Netzwerk aufgebaut hat. Zudem konnte er einen direkten Kontakt zu WITTENSTEIN vermitteln: Noch in diesem Jahr wird ein Schüler der Humboldt-Schule ein Praktikum im Firmenhauptsitz in Igersheim absolvieren. Technische Ausbildung in Peru: „Typisch deutsch" ist gar nicht so schlecht Wichtige Informationen lieferten Patrick Rommel u. a. auch Gespräche mit der Deutsch-Peruanischen Außenhandelskammer, der landesweit tätigen, halbstaatlichen Bildungseinrichtung SENATI und dem Schreibwarenhersteller Faber-Castell, der in Lima eine Produktionsstätte mit 700 Mitarbeitern betreibt. Das Fazit ist wenig überraschend: Je nach Standpunkt wird die Qualität der Ausbildung und die Ursachen für Mängel unterschiedlich beurteilt. „Wer für Bildung und Ausbildung zahlen kann, ist im Vorteil", so Patrick Rommel. Er selbst war fast überall, wo er hingekommen ist, ausbildungstechnisch ein Exot: „So jung schon Ingenieur, und sogar während der Ausbildung ein Gehalt bekommen, das hat kaum einer so richtig begreifen können." Umgekehrt musste er diese Reaktion auch erst einmal verdauen und für sich persönlich einordnen: „Man kommt dann darauf, dass vieles auf der Welt eben doch nicht selbstverständlich und schon gar nicht für alle zugänglich ist." Zudem sieht man durch solche Erfahrungen das eigene, kulturelle Wertesystem mit etwas anderen Augen. „Klingt vielleicht spießig, aber Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ordnung sind als typisch deutsche Tugenden zumindest im geschäftlichen Umfeld sehr hilfreich. Die Mentalität in Peru ist da ziemlich anders, was letztlich die aktuelle Situation auch in der tech-nischen Ausbildung ein Stück weit erklärt", vergleicht Patrick Rommel.

Lernen, gelassen zu bleiben

Auf die Frage, was er an sich selbst jetzt anders wahrnimmt als vor der Walz, antwortet Patrick Rommel spontan: „Gelassenheit. Ich kann jetzt besser mit Unwägbarkeiten und unvorhergesehenen Ereignissen umgehen. Gleichzeitig stelle ich fest, dass ich eigenständige Entscheidungen jetzt mit mehr Routine treffe oder auch bei der Bewertung von Alternativen wichtige von weniger wichtigen Argumenten besser unterscheiden kann." Natürlich besitzt er nach der Walz auch eine völlig andere, interkulturelle Kompetenz: „Man entwickelt eine Sensibilität für andere Kulturen und Menschen. Dies ist die Voraussetzung, um in diversen Situationen die Handlungen und Motive, Lebensweisen und Auffassungen sowie Gefühle und Probleme seines Gegenübers besser verstehen und gezielter darauf eingehen zu können."

BerufsBildungsZentrum Alexander von Humboldt
Av. Benavides 3572, Santiago de Surco. Lima - Perú. Telefon: 617 9090.